Dramendidaktik und Theaterpädagogik

Abraham, Ulf und Matthis Kepser: Literaturdidaktik Deutsch. Eine Einführung. Berlin: Erich Schmidt Verlag 2005. darin Kapitel 4.4.4.: Konzepte zum Drama im Unterricht, S. 141-144.

In ihrer einführenden "Literaturdidaktik Deutsch" skizzieren Abraham/Kepser hier – Bogdal/Kammler (2002) folgende – auf wenigen Seiten die vier wichtigsten Konzepte zum Umgang mit dem Drama. Ein gut und vor allem schnell zu lesender erster Überblick, der durch umfassende Lektüreempfehlungen im Literaturverzeichnis gut ergänzt wird.

Bogdal, Klaus-Michael und Clemens Kammler: Dramendidaktik. In: Grundzüge der Literaturdidaktik. Hg. v. Klaus-Michael Bogdal und Hermann Korte. München: dtv 2006, S. 177-189.

Sowohl Klaus-Michael Bogdal, Professor für Literaturwissenschaft an der Universität Bielefeld, als auch Clemens Kammler, Professor für Literaturdidaktik an der Universität Duisburg-Essen gelten auf dem Gebiet der Deutschdidaktik im Allgemeinen sowie der Dramendidaktik im Speziellen als Experten. Das von Bogdal und Hermann Korte herausgegebene, oben zitierte Werk wurde 2006 bereits zum vierten Mal neu aufgelegt.

In ihrem Aufsatz fordern die Autoren eine Forcierung spiel- und theaterpädagogischer Ansätze im modernen Deutschunterricht nicht nur als „Motivationsstrategien oder Supplemente textanalytisch-interpretierender Methoden“, sondern als gleichwertiges Dramenerarbeitungs- und Unterrichtskonzept. Sie verweisen dabei auf die unterschiedlichen Möglichkeiten der Umsetzung des „Prinzips Theatralität“ bei verschiedenen Autoren wie Walter Beimdick (Vermittlung von Wissen über den professionellen Theaterbetrieb), HertaElisabeth Renk (Verstehen der dramatischen Wirkungsmechanismen) und Franz-Josef Payrhuber („aufführungsbezogene Lektüre“) und kritisieren das Nicht-Vorhandensein „verbindlicher Vorgehensweisen“ zur Auseinandersetzung mit Drameninszenierungen oder – verfilmungen in deutschen Lehrplänen.

Die Wichtigkeit der Beschäftigung mit dem „lebendigen“ Drama in dessen „eigentlicher“ Form, also der Inszenierung im Gegensatz zu einer „Reduzierung des dramatischen Textes als Lesestoff“ wird mit einem Zitat Hartmut von Hentigs untermauert, das Theater sei „eines der machtvollsten Bildungsmittel, das wir haben“, da es in sich die „ästhetische Erziehung des Menschen“ und die „Vorstellung vom Theater als sozialer Institution“ vereint.

Des Weiteren skizzieren die Autoren den Wandel der Dramendidaktik von ihren Ursprüngen bis zur Gegenwart und kritisieren die Praxis des nach 1945 in Mode gekommenen „Lese- und Arbeitsbuchkonzepts“, bei dem die SchülerInnen nur Kernstellen eines Dramas lesen, die durch Inhaltsangaben und weitere Materialien ergänzt werden. Der Dramenunterricht könne nach Meinung von Bogdal und Kammler nicht auf die Auseinandersetzung mit einem Werk in dessen Gesamtheit verzichten, da dies „gegen grundlegende hermeneutische Prinzipien verstoßen“ würde.

Darüber hinaus fordern die Autoren eine verstärkte Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Dramatik im Deutschunterricht, wobei sie zwar einräumen, dass diese sich „allen Regeln der klassischen Dramaturgie widersetze“ und so nicht den gängigen SchülerInnenerwartungen entspreche, sehen aber andererseits – wie der von ihnen zitierte Hans Thies Lehmann – gerade darin die Herausforderung für LehrerInnen und SchülerInnen und die Chance „autonomer ästhetischer Erfahrungen“.

Die Argumentation der Autoren ist meines Erachtens zu jedem Zeitpunkt schlüssig, logisch aufgebaut und gut strukturiert, gestützt von Verweisen auf wissenschaftliche Publikationen und historische Fakten und wird durch praktische, allgemein bekannte Beispiele (wie etwa die Anführung der Dramen „Faust“, „Emilia Galotti“, „Woyzeck“) veranschaulicht.

Der Aufsatz ist gut geeignet, um sich einen ersten Überblick über die Geschichte der Dramendidaktik zu verschaffen bzw. um sich über den Status Quo der gegenwärtigen Dramendidaktik zu informieren. Meines Erachtens negativ zu erwähnen ist, dass Bogdals und Kammlers Artikel nur Forderungen an den modernen Deutschunterricht stellt (bessere Umsetzung des „Prinzips Theatralität“, stärkere Orientierung am Gegenwartstheater), ohne jedoch konkrete Lösungsansätze anzubieten. Hier wird die Leserin/der Leser an andere Autoren wie etwa Günter Waldmann („Produktiver Umgang mit dem Drama“, 1996) verwiesen, dessen Werk „eine Fülle von methodischen Anregungen enthält“.

Bülow-Schramm, Margret (Hg.): Theater mit der Lehre? Theater in die Lehre. Über den Nutzen von Inszenierungen in der Hochschule. Hamburg 1996.

Margret Bülow-Schramm ist Professorin am Zentrum für Hochschul- und Weiterbildung der Universität Hamburg und Vorsitzende der Forschungskommission der Deutschen Gesellschaft für Hochschuldidaktik. Sie ist im Bereich der Qualitätsentwicklung an Hochschulen tätig und hat große Verdienste im Bereich der innovativen Lehr- und Lernmethoden (durch die Theatralisierung der Lehre) geleistet. Sie ist Herausgeberin des im Folgenden kommentierten Bandes „Theater mit der Lehre? Theater in die Lehre. Über den Nutzen von Inszenierungen in der Hochschule“.

Was ist denn das für ein Theater mit der Lehre? Warum das ganze Theater um die Lehre? - Allgemein bekannt ist, dass Lernen praxisbezogen vor sich gehen sollte, denn schließlich lernt man für das Leben und nicht für gute Noten. Insbesonders an Hochschulen könnte man dies annehmen, doch wenn man heutzutage hinter die Kulissen der Universitäten blickt, so erkennt man schnell, dass die Lehre größtenteils auf Passivität beruht. Vorlesungen und Frontalunterricht bestimmen das tägliche Bild an den Universitäten.

Aus diesem Grund steht die (Hochschul)Didaktik immer häufiger im Brennpunkt bildungswissenschaftlicher Diskussionen, da dieser facettenreiche Bereich nach wie vor ein vernachlässigtes Dasein führt, denn nicht selten vergessen die Forscher, ihr Wissen ansprechend zu vermitteln.

Margret Bülow-Schramm setzt genau an diesem Punkt an, reflektiert den "brüchigen Habitus von HochschullehrerInnen" und übt heftige Kritik an der hochschuldidaktischen Aus- und Fortbildung, mit der Begründung, dass die HochschullehrerInnen die einzigen unter allen LehrerInnen seien, die keine pädagogische Ausbildung besitzen würden. (S. 111)

Ihr Ziel ist es also durch die zunehmende Forcierung theatralischer Elemente die Hochschuldidaktik zu revolutionieren.

Bühne frei also für eine frische Brise in der Hochschuldidaktik. Margret Bülow- Schramm führt die Vorteile des szenischen Spiels als Lernform an, in das theatralische Einübungen, Entspannungs- und Konzentrationsspiele genauso inbegriffen sind wie das Forumtheater oder das Boal’sche „Theater der Unterdrückten“. Die vielfältigen Formen der Anwendung bieten selbstreflexive und experimentelle Handlungsforschung an, die nicht nur Studienrichtungen mit pädagogisch- interaktivem Schwerpunkt ansprechen („wo Probleme auch zugleich Gegenstand der Fachwissenschaft sind, also Pädagogik, Sozialwissenschaften und Psychologie“ (S. 124)), sondern auch Disziplinen wie Medizin, wo durch Simulation Beratung in der Arzt-Patienten-Kommunikation erprobt wird, denn „Theaterpädagogik als Methodik lässt sich auf jeden Wissensbereich übertragen“.

Der Nutzen? Aufbau aktiver Handlungs-, Improvisations-, Spiel- und Sprechfähigkeit, Einüben von Selbstexplorationsprozessen, szenischem Verstehen, sozialer Empathie und kritischem Reflexionsvermögen und das alles durch direkte Einbindung der Lernenden.

Lob und Kritik stehen hier Hand in Hand. Sie reichen von der Einschätzung, dass Rationales mit Spielerischem nicht vermengt werden dürfe, bis hin zur hellen Begeisterung: Das Spiel als Form der sinnlichen Verwirklichung von Erkenntnis hat Bildungsrelevanz, die weit über Theater-Seminare hinausgeht.

Aufpassen sollte man aber trotzdem, dass man das Theater um das Theater nicht zu eng sieht. Schließlich besteht das Hauptziel der Hochschullehre nicht darin, SchauspielerInnen auszubilden, sondern Menschen, die fachliche Kompetenz aufweisen. Bülow- Schramm sieht dies nicht so und bezeichnet die Hochschullehre als „verkopft“ (S. 114), doch wie soll es denn in „Massenveranstaltungen“ funktionieren, in der im Schnitt 40 Personen sitzen? Schramm spricht von Blocklehrveranstaltungen mit 12 Personen. Die Wurzeln der „Verkopfung“ wären hier also auch ganz wo anders zu suchen als bei der nicht wahrgenommenen Aus- und Fortbildung der HochschullehrerInnen! Weiters wird man nicht behaupten können, dass alleine das szenische Spiel zur Verbesserung der Hochschuldidaktik beitrage, denn schließlich besteht guter Unterricht aus mehreren Prinzipien und nur eines davon ist die Methodenvielfalt, wobei Bülow- Schramm aus diesem Bereich wiederum nur einen einzigen Aspekt herausgreift. Zusätzlich kann nicht angenommen werden, dass für jeden das szenische Spiel die optimale Gelegenheit wäre, um Lerninhalte besser aufzunehmen bzw. Probleme zu lösen. Auf der Bühne zu stehen und ein szenisches Spiel als Lernform einzusetzen impliziert nämlich automatisch, dass es unter Rahmenbedingungen stattfindet, die nicht der Realität entsprechen. Wenn Bülow- Schramm von einem Beispiel spricht, indem zuerst das althergebrachte Theater dargestellt wird, anschließend die Welt präsentiert wird, wie sie ist und letztendlich wie sie sein soll, so muss uns immer bewusst sein, dass wir uns einer utopisch, künstlich- erzeugten Situation gegenüber finden, für die es sogar ein Drehbuch gibt. Um hier aber nicht nur Skepsis den Raum ausfüllen zu lassen, lassen wir an dieser Stelle den Vorhang fallen, um den Bogen zum Anfang zu schlagen.

Kaum einer wird abstreiten können, dass das szenische Spiel eine festgefahrene Lernsituation aufbrechen kann und die Anschaulichkeit eines Problems fördert. Es lässt natürlich die Lernenden selbst aktiv werden, indem sie in eine andere Rolle schlüpfen.

Bülow- Schramms Anspruch ist es, dass Fachwissen allein für ein erfolgreiches Arbeitsleben nicht reicht, denn mangelhafte Qualität in der Lehre führt automatisch zu mangelnder Qualität der Ausgebildeten und damit zu Unzufriedenheit am Arbeitsmarkt. Dem theatralen Lernen sollte deshalb die Aufmerksamkeit gewidmet werden, die für eine lebenslange Bildung erforderlich ist. Dieser Ball sollte unbedingt weitergespielt werden, um eine Änderung der Hochschuldidaktik zu bewirken. Ob jedoch der Einsatz des szenischen Spiels alleine reicht, um eine Verbesserung zu erwirken, das sei dahin gestellt. Doch der Versuch die alte Tradition in der Hochschullehre aufzubrechen und in eine offenere, reflexivere Richtung zu führen, ist schon eine Pioneerarbeit für sich.

Denk, Rudolf und Thomas Möbius: Dramen- und Theaterdidaktik. Eine Einführung. Berlin: Erich Schmidt Verlag 2008 (ESV basics).

Von der Prämisse ausgehend, dass dramatische Texte weder an Schulen noch an Hochschulen „hoch im (Dis)kurs“ (Seite 9) stehen und der dadurch resultierenden „deutliche[n] Lücke im didaktischen Feld“ (Seite 10), geben Denk/Möbius eine Einführung in Dramen- und Theaterdidaktik.

Die beiden Autoren stellen einleitend fest, dass sie „von vornherein und unmissverständlich die unauflösliche und spannungsvolle Verknüpfung von dramatischen Texten mit den Dimensionen des Szenisch-Theatralischen entdecken, beschreiben, definieren und diskutieren“ (Seite 16) wollen; ein Umstand, der sich im Titel des Buches spiegelt.

Da im Bereich der Fachdidaktik dem „Drama“ und „Theater“ bislang zuwenig Aufmerksamkeit zugekommen sei, sprechen sich die Autoren für die Entwicklung „didaktische[r] Veranschaulichungswege und Strategien“ (Seite 23) aus, die dem „hohen Stellen[wert], den das Theater als multimedialer ‚Schau-Raum’ im heutigen Kulturbetrieb einnimmt“ (ebd.), entsprechen und darüber hinaus dazu beitragen sollen, „eine umfassende Theatralitätskompetenz der Heranwachsenden auszubilden“ (ebd.).

Formal gliedert sich ihre Einführung in sieben thematische Kapitel, ein umfangreicher Glossar sowie ein in drei Rubriken unterteiltes Literaturverzeichnis schließen die Einführung ab.

Während die Autoren im ersten Kapitel ihre Ausgangspunkte und Zielsetzungen formulieren, begeben sie im zweiten Kapitel („Grundlegende Strukturen“) auf eine diachrone Spurensuche: Nachgezeichnet wird hier die Entwicklung von Drama und Theater von der griechischen Antike bis zum Regietheater des 21. Jahrhunderts. Ihre synchrone Spurensuche führt sich zu „[t]raditionelle[n] Elemente[n] der Dramenanalyse und Entwürfe einer Theatersemiotik“.

Das dritte Kapitel stellt differente didaktische Konzepte der Dramenvermittlung vor. Die dabei vorgestellte Palette umfasst ein breites Spektrum: beginnend bei der Gattungslehre und verschiedenen Konzepten des darstellenden Spiels bzw. szenischer Verfahren bis hin zu theaterpädagogischen Ansätzen, aufführungsbezogenen Lektüren und produktionsorientierten Ansätzen reicht die präsentierte Auswahl.

Das vierte Kapitel widmet sich dem „Dramatischen“ und dem „Theatralischen“ aus didaktischer Sicht. Anschließend werden im fünften Kapitel unterschiedliche Dramaturgiemodelle erläutert, wobei punktuell verschiedene Dramentexte zur Illustration herangezogen werden.

Das mit „Theaterwerkstatt“ betitelte sechste Kapitel kann den Erwartungen, die durch den Begriff „Theaterwerkstatt“ und durch die Beschreibung des Kapitels in der Einleitung („in Kapitel 6 finden Leserinnen und Leser sowohl eine didaktisch konzipierte Figuren- und Theaterwerkstatt als auch eine Regie- und Rezensionswerkstatt, in der sie Rezeptions- und Produktionsprozesse reflektierend nachvollziehen und selbst durchführen können“, Seite 13) evoziert werden, leider nicht gerecht werden. So hält auch Wolfgang Nickel in seiner Rezension fest, dass es bei genauerem Lesen „immer wieder primär oder gar ausschließlich um ‚Kognition’ [geht]; wirkliches Agieren […] kommt kaum vor und wird so gut wie nicht expliziert“ (Hans Wolfgang Nickel, Rezension vom 4.6.2009 zu Denk/Möbius. In: socialnet Rezensionen). Die von Denk/Möbius unter dem Begriff „produktionsorientiert“ zusammengefassten Verfahren fokussieren allesamt das Lesen und Schreiben (z.B. Schreiben eines Regiebuches, Verfassen eines inneren Monologs etc.).

Erst das siebte Kapitel („In Inszenierungskategorien denken“) bietet ein Beispiel für eine szenische Umsetzung.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Denk/Möbius einen kurzes, nicht immer leicht lesbaren Überblick über die Entwicklung des Dramas und Theater geben, sowie einen schnellen, ersten Überblick über didaktische Konzepte der Dramenvermittlung und unterschiedliche Dramaturgiemodelle zur Verfügung stellen. Vor allem das „Theaterwerkstatt“-Kapitel kann jedoch die durch den Titel evozierten Erwartungen nicht erfüllen und ist insofern eine Enttäuschung.

Hiss, Guido: Was analysiere ich wie? Der postmoderne "Faust". In: Der Deutschunterricht (2004), Heft 2, S. 20-30.

Guido Hiss beschäftigt sich in seinem Artikel „Was analysiere ich wie?“ mit der Problematik der Theateranalyse an sich und kommentiert in Folge drei unterschiedliche Aufführungen des Faust aus den Achtziger- und Neunziger-Jahren.

Analysieren wir ein Drama, sind es in erster Linie die Fragen nach dem Was, dem Wie, dem Vorgang des Analysierens und dem analysierenden Subjekt, die nach einer exakten Definition verlangen. Das Was befasst sich in diesem Zusammenhang mit dem Verständnis von Drama – ist der geschriebene Text oder seine auf der Bühne umgesetzte Aufführung Gegenstand der Analyse? Unmittelbar damit verbunden ist das Wie: Erst wenn bekannt ist, was genauer bestimmt werden soll, kann der genaue prozessuale Vorgang hinterfragt werden. Definiert werden muss auch das von der Hermeneutik sowie diversen, geisteswissenschaftlichen Schulen oftmals hinterfragte Ich, welches sich beim Analysieren unvermeidlich im Feld der subjektiven Wahrnehmung bewegt.

Bei seiner exemplarischen Analyse konzentriert sich Hiss auf verschiedene Realisierungen der Faust’schen Pakt-Sequenz. Unterschiedlich konzipiert im Hinblick auf Text, Schauspieler und Bühnenbild, versucht der Autor ihre positiven bzw. bemängelnswerten Charakteristika herauszuarbeiten. Der Artikel endet mit der Schlussfolgerung, dass es den idealisierten, mit dem im Text authentischen Faust aufgrund der Eigendynamik des Theaters wohl niemals geben wird, genau so wenig wie ideale Lesearten des Dramas an sich.

Auch ohne besonderes Fachwissen einfach verständlich, bietet Hiss’ Artikel eine gute Einführung in den Bereich der Theaterkritik und -analyse. Mit dem Faust wurde ein Beispiel ausgewählt, welches wohl jedem Leser ein Begriff ist. Der in sich schlüssige Text weist auf die bei einer Analyse eingangs abzuklärenden Fragen hin, was für eine eventuelle Verwendung im Unterricht praktisch erscheint. Wenngleich auch der Text sonst – obwohl im Deutschunterricht erschienen – leider keine Anregungen zur praktischen Umsetzung der Dramenanalyse enthält.

Hochreiter, Susanne: Im Spiel: Handeln und Dialog. Modelle und Praxis von Theaterpädagogik in der Hochschullehre. In: Literatur Lehren Lehren Lernen. Hochschuldidaktik und germanistische Literaturwissenschaft. Hg. v. Susanne Hochreiter und Ursula Klingenböck. Wien: Böhlau 2006, S. 205-229.

Susanne Hochreiter ist Universitätsassistentin am Institut für Germanistik in Wien. Die Schwerpunkte ihrer Forschungs- und Lehrtätigkeit liegen in der Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts, der Literaturtheorie (besonders Gender Studies und Queer Theory), in der Hochschuldidaktik sowie im Theater und Drama.

In dem Aufsatz „Im Spiel: Handeln und Dialog“ skizziert Hochreiter die Möglichkeiten eines Umgangs mit Theaterpädagogik im Bereich der Hochschullehre beziehungsweise des Unterrichts. Sie umreißt die Anfänge des Handlungsfeldes Theater und Pädagogik und widmet sich hier vor allem Augusto Boal und seinem „Theater der Unterdrückten“, dessen Konzept Theater als Verhandlungs- und Vermittlungsmedium begreift, indem es einen Ort der Kritik und des Widerstandes sowie die Möglichkeit zu probeweisem Handeln bietet und als Informationsmedium fungiert.

Hochreiter stellt drei Modelle der Theaterpädagogik vor („Forumtheater als Reflexionsmöglichkeit in der universitären Lehr-Lern-Tätigkeit“, „Theatralisierung von LehrLern-Prozessen in der Hochschulausbildung von LehrerInnen“ und „Überprüfung von Qualifikation – szenische Methoden im Assessment“), denen Praxisbeispiele in der tatsächlichen Handhabung in der Lehre folgen (Theater und Fremdsprachenerwerb, Brechts Lehrstücke, Mit Texten spielen, Rollen im Literaturbetrieb) und schließt den Aufsatz mit einem Plädoyer für (mehr) Theater in der Lehre, vor allem in der Ausbildung zukünftiger Lehrender.

Dass Theater und theatrale Formen in der Lehre ein großes kritisches Potenzial bergen, wird von Hochreiter in diesem Aufsatz schlüssig argumentiert und veranschaulicht. Das Plädoyer zielt einerseits darauf ab, hierarchisierende Strukturen in der Lehre mit den Mitteln des „Spiels“, der verschiedenen Formen der Theaterpädagogik zu reflektieren und in letzter Konsequenz aufzubrechen; andererseits Lernenden abseits der herkömmlichen didaktischen Konstellationen (Lehrerin-Schülerin, Bühne-Publikum; also die klassische Objekt-SubjektSituation) die Möglichkeit zu bieten, selbst agierend eine lustvolle Auseinandersetzung mit Texten zu erleben beziehungsweise theatrale Formen wie szenisches Spiel, Forumtheater oder Theatralisierung von verschiedenen Prozessen als Handlungsmöglichkeit (zum Beispiel in Konfliktsituationen) zu begreifen. Theaterpädagogik biete die Chance, Prozesse zu thematisieren und damit einhergehende Rollen und Hierarchiebildungen zu reflektieren. Konkret auf den Unterricht bezogen können Texte gemeinsam im Plenum „verhandelt“ werden, indem von starren und autoritären Rezeptions- und Interpretationsschemata weggegangen wird und der Text beziehungsweise die Dramatisierung des Textes eine neue Verhandlung erfährt: Erst der selbstständige Umgang damit macht die Qualität der Rezeption und Interpretation aus. Im performativen Akt des Lesens und Inszenierens liege das Potenzial eines differenzierten Verständnisses und einer lustvollen Auseinandersetzung damit.

Die Ansätze scheinen in theoretischer Hinsicht kreatives und innovatives Potenzial zu bergen, eigene praktische Erfahrungen im Bereich der Theaterpädagogik (Forumtheater und szenisches Spiel) sind in sehr positiver Erinnerung geblieben. Daher kann Hochreiters Fazit nur zugestimmt werden: Für die Theaterpädagogik bleibt zu hoffen, dass sie einen bedeutenderen Stellenwert in der (Hochschul-)Lehre erfährt und ihre Ausbildungsmöglichkeiten erweitert werden.

Krammer, Stefan: Der Theatermacher Thomas Bernhard. Dramapädagogische Anregungen für den Deutschunterricht. In: ide 4/2005, S. 88-98.

Wenn man selbst aus einer Generation stammt, in der Dramen ausschließlich als Hausaufgabe gelesen und im Deutschunterricht auf ihre gesellschaftliche Bedeutung hin interpretiert wurden, fehlt einem die Vorstellung davon, wie reich das Feld Dramapädagogik sein kann. Von Stefan Krammer, Leiter des Fachdidaktischen Zentrums Deutsch an der Universität Wien, wird man zu einem lebendigen Umgang mit dramatischen Texten ermuntert.

Krammer entwickelt seine Vorschläge für den Literaturunterricht ganz bewusst an Thomas Bernhards Der Theatermacher. Dieses Drama Bernhards hat das Theater selbst zum Thema und eignet sich laut Krammer daher besonders um „[…] die Komplexität von Drama und Theater aufzuzeigen“. Wie kann anhand dieses Theaterstücks nun mit Schülerinnen und Schülern gearbeitet werden?

Wie jedes literarische Werk bietet Der Theatermacher Unbestimmtheitsstellen, die während des Transformationsprozesses des Textes zur Aufführung z. T. konkretisiert werden müssen. Die Aufgabe der Konkretisation kann mit den SchülerInnen in Angriff genommen werden, in dem z. B. im Unterricht Rollen zum dramatischen Text entwickelt werden. Als Verfahren des szenischen Interpretierens werden in diesem Fall das Rollengespräch, die Modellierung von „Statuen“ und das Bauen situationsbezogener Standbilder von Krammer vorgestellt.

Die Lektüre des Theatermachers gewähre auch einen Einblick in die verschiedenen Arbeitsbereiche des Theaters. Sollen SchülerInnen Textpassagen im Drama suchen, die von den Vorbereitungen für das Stück handeln, müsste ihnen deutlich werden, dass es für das Gelingen einer Aufführung mehr als einem Regisseur und Schauspieler bedarf.

Wer sich Krammers Plädoyer für handlungsorientierten Unterricht zu Gemüte führt, erahnt wie weitläufig das Thema „Drama/Theater“ ist. Nicht immer muss die inhaltliche Interpretation eines Werks im Deutschunterricht im Rampenlicht stehen, sondern auch Transformationsprozesse oder – allgemeiner – die Welt des Theaters abseits der Bühne haben Berechtigung behandelt zu werden. Vor allem, wenn so kreative Zugänge zur Thematik eingesetzt werden.

Schülein, Frieder und Michael Zimmermann: Spiel- und theaterpädagogische Ansätze. In: Grundzüge der Literaturdidaktik. Hg. v. Klaus-Michael Bogdal und Hermann Korte. München: dtv 2006, S. 258-271.

Waldmann, Günter: Produktiver Umgang mit dem Drama. Eine systematische Einführung in das produktive Verstehen traditioneller und moderner Dramenformen und das Schreiben in ihnen. Für Schule (Sekundarstufe I und II) und Hochschule. 2. korrigierte Auflage. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 1999.