Weltenübertritt und Tod in der phantastischen Kinder- und Jugendliteratur

/ Sonja Loidl

Wien : 2011

Sonja Loidl

Dissertation

Betreut von: Roland Innerhofer

Mit dieser Dissertation soll ein Beitrag zur Diskussion um die phantastische Literatur im Bereich der kinder- und jugendliterarischen Forschung geleistet werden. Es wird der Versuch gemacht durch die Wahl von Texte aus mehreren Sprachräumen ein möglichst breites Spektrum abzudecken, wobei allerdings außerhalb des deutschen und anglophonen nur einzelne Texte (in Übersetzung) berücksichtigt werden konnten. Den Anfang der Untersuchung bildet eine Gegenüberstellung verschiedener Definitions- und Modellansätze zum Feld des Phantastischen, da dieses Thema in der literaturwissenschaftlichen Diskussion nach wie vor nicht ausreichend vereinheitlicht werden konnte. Im Anschluss daran erfolgt die Auseinandersetzung mit den beiden Motiven Weltenübertritt und Tod. Dabei liegt das Augenmerk auf Varianten und zu beachtenden Aspekten der Motive, wobei nahe am Text gearbeitet, also hermeneutisch und strukturalistisch vorgegangen wird. Für den Weltenübertritt wird als besonders wesentlich herausgearbeitet, dass dieses Element meist kaum Textraum einnimmt, aber dennoch für die Phantastik, wie sie in der Untersuchung definiert wird, Genre konstituierend ist. Behandelte Aspekte sind hier etwa das Verständnis von Welt, Reaktionen der Figuren und Beglaubigungsstrategien im Angesicht des Irrealen, Transportmittel und -wege, sowie gängige Bewegungsarten zwischen real-fiktionalen Handlungsräumen und Anderswelten. In einem Exkurs wird die Umsetzung des Elements Weltenübertritt in ausgewählten Blockbuster-Filmen (u.a. Harry Potter and the Sorcerer’s Stone, Inkheart und die drei bisher verfilmten Teile von The Chronicles of Narnia) analysiert. Dabei wird herausgestellt, dass (parallel zu den überwiegend treu transformierten literarischen Vorlagen) das zentrale Übertrittsmoment für das Genre des Phantastischen sehr kurz gehalten ist und überraschender Weise oft unter geringem Einsatz von Spezialeffekten dargestellt wird. Daneben findet im Exkurs eine Analyse der angewandten Bauformen des Films im Zusammenhang mit dem Weltenübertritt statt. Auf die Auseinandersetzung mit Verfilmungen folgt die Motivanalyse zum Tod, der besonders in der phantastischen Jugendliteratur im Spannungsfeld zwischen Gewaltprävention und notwenigem Bestandteil zur Charakterisierung des »Bösen« dargestellt ist. Kaum einmal findet natürlicher Tod Eingang in die Handlung. Es dominieren, trotz aller magisch und technisch erweiterter Möglichkeiten, Hieb- und Stichwaffen in tödlichen Auseinandersetzungen vom Duell bis zur Schlacht. An Aspekten des Motivs werden u.a. Lebenserwartung der (nicht-menschlichen) Figuren, das Auftreten von Personifikationen des Todes und der Umgang mit dem Tod in Anderswelten behandelt. Sehr interessant ist das Ergebnis der Analyse, dass Sterben trotz der erweiterten Möglichkeiten nicht-realistischer Literatur überwiegend irreversibel bleibt. Den dritten und letzten Hauptpunkt der Arbeit stellt die Beschäftigung mit der angenommenen Verbindung zwischen den beiden Motiven Weltenübertritt und Tod dar. Diesem Abschnitt liegt die These zugrunde, dass in einer erheblichen Zahl von Texten Weltenübertritt der Figuren untrennbar mit dem Tod verbunden ist; Etwa in Form von Übertritt in Unterwelten, mit dem Ziel von Figuren andere Charaktere zu retten, oder auch im Rachemotiv liegt eine Verknüpfung der behandelten Erzählelemente vor. Am Ende der Untersuchung steht die Analyse einiger Fantasy- und Science Fiction-Texte – in Hinblick auf im Hauptteil betrachtete Punkte zu den beiden untersuchten Motiven, sowie der dargelegten Verbindung zwischen ihnen. Damit soll abschließend die im Theorieteil empfohlene Unterscheidung von Phantastik und anderen nicht-realistischen Genres wieder aufgenommen und ein Ausblick auf die Rolle von Weltenübertritt und Tod in der extra-empirischer Literatur generell gegeben werden.