/ Iris Kraßnitzer
Wien : 2011
Diplomarbeit
Betreut von: Pia Janke
Sprache ist das zentrale Motiv in Friedrich Achleitners vielfältigem literarischen Schaffen; sie spannt den Bogen von seinen Arbeiten als Mitglied der Wiener Gruppe über den formorientierten "quadratroman" bis zur Kurzprosa der vergangenen Jahre, die im Mittelpunkt dieser Arbeit steht. Doch sind die Möglichkeiten der Thematisierung von Sprache auch wesentlich von der zugrundeliegenden Gattung geprägt: Während Achleitners frühe Arbeiten, wie etwa seine Konstellationen oder Montagen, den Materialwert von Sprache hervorheben, erlaubt es die Form der kurzen Prosa, sowohl Überlegungen zur Sprache zu formulieren als auch Geschichten über Sprache zu erzählen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die sprachreflexiven Techniken und ihre Wirkung unter besonderer Berücksichtigung des Genres der Kurzprosa zu untersuchen. Hierfür werden einleitend die theoretischen Grundlagen sprachbewusster Literatur und ihre Entwicklung umrissen. Im Mittelpunkt stehen hier entscheidende Einflüsse auf Achleitners Schaffen, um seine persönliche künstlerische Genese als Teil der sprachkritischen Strömung nachzuvollziehen. Auffallend an Achleitners frühen Arbeiten ist eine Betonung des Formalen: Sprache wird montiert, arrangiert und phonetisch seziert, sie wird als Werkzeug offen zur Schau gestellt. Dies führt zwangsläufig zu einer näheren Betrachtung des Funktionierens von Sprache und als Konsequenz daraus der Prozesse des Verstehens. Die experimentelle Literatur versucht so über die Freilegung dieser Mechanismen die Sprache von ihrer Funktion als Dienerin des Inhalts zu befreien. Den Blick auf die Sprache freizulegen, ist ebenfalls in Achleitners Kurzprosabänden "einschlafgeschichten", "wiener linien", "und oder oder" und sowie "der springende punkt" ein zentrales Motiv, jedoch nicht mehr über die Hervorhebung als Material. Mit der Prosa als Rahmen ergeben sich vollkommen neue Möglichkeiten des Sprachspiels, indem Gedanken zur Sprache sowohl explizit geäußert als auch implizit thematisiert werden können. In Achleitners Kürzestgeschichten schließen sich die Reflexion des Materials und die Vermittlung von Inhalten nicht mehr aus, sondern gehen eine Symbiose ein. Es werden nicht nur Geschichten mittels der Sprache erzählt, sondern auch über die Sprache, indem etwa Abstrakta zu literarischen Figuren werden oder das Wörtlich-Nehmen von Redewendungen den Leser zu einer semantischen Umdeutung von Begriffen zwingt. Per Konvention ausgeblendete Möglichkeiten der Sprache, vor allem in Bezug auf ihre semantische Doppelbödigkeit, stehen hierbei im Zentrum, wobei die Annäherung bei Achleitner weder eine klagende noch eine anklagende ist. Bei seinen Sprachgeschichten handelt es sich um ein humorvolles Spiel mit Mehrdeutigkeiten, die beim Rezipienten eine reflexive Auseinandersetzung bewirken. Vom Ernst der Avantgarde ist nicht mehr viel übrig, aber auch in Achleitners jüngsten Publikationen ist das Offenlegen von Fixierungen einer zum Werkzeug degradierten Sprache weiterhin von enormer Bedeutung, jedoch sind Kritik und Irritation zugunsten des Staunens und der Pointe in den Hintergrund gerückt.