VerWertungen von Vergangenheit

/ Elisabeth Wagner, Burkhardt Wolf (Hg.)

Berlin : Vorwerk 8, 2009

(= Mosse-Lectures ; 2008)

Burkhardt Wolf

Der Gedanke daran, wie etwas geworden und vergangen ist, geht oft verloren in der Allgegenwärtigkeit aktueller Meinungen und Gefühle ebenso wie in der grenzenlosen Dynamik digitaler Gedächtnisse. Vergangenheit ist zur virtuellen Gegenwart geworden. Gleichwohl hat alles Frühere Konjunktur: in zahllosen Rückblicken und Retrospektiven stellst sich die Mediengesellschaft auf sämtlichen Kanälen je aktuelle Bilder von Vergangenheit her. Nie zuvor war Vergessen so gut vereinbar mit der dauernden Revision und dem unablässigen Revirement unterschiedlichster Vergangenheiten. Vor diesem Hintergrund sind die Grenzen zwischen einer kritischen Wertung und einer bloßen Verwertung von Vergangenheit zu bestimmen. Die vielfältige Erinnerungspraxis und Gedächtnispolitik von Kunst, Literatur, Film und Wirtschaft sind das Thema dieses Bands.

Elena Esposito (Bologna) zeigt, wie Vergangenheit und Zukunft die Finanzmärkte – nicht nur in Zeiten der Krise – als stets erneuerbare „Gegenwarten“ beleben. Andreas Huyssen (New York) vergleicht die in verschiedenen Ländern und Kulturen unterschiedlichen „VerWertungen“ des Holocaust.„Wie Opfer zeigen“, fragt Harun Farocki und erkundet die Möglichkeiten und Grenzen einer Ikonographie von KZ-Bildern mit Beispielen aus seinem neuen Film „Aufschub“. Anselm Kiefer hat den „Frauen der Antike“ Gestalt gegeben, von Elisabeth Wagner beschrieben als Restitution der in den Wissensbeständen verschütteten Körper und Köpfe. Der inzwischen verstorbene Wendelin Schmidt-Dengler (†) rekapituliert und interpretiert die vier Anfänge der Romane von Christoph Ransmayr, die dieser in den Mosse-Lectures gelesen hat. Ein literarisches Zwiegespräch, in dem wie in allen Beiträgen dieses Bands jene „Ferne“ ausgemessen wird, die eine Gegenwart von sich selber trennt.

ISBN: 9783940384195

Inhaltsverzeichnis (DNB)