Stimmabgabe : Literatur und Repräsentation in der politischen Moderne

/ Sabine Müller

Wien : 2011

Sabine Müller

Dissertation

Betreut von: Roland Innerhofer

Der Begriff der Repräsentation verlor in den letzten Jahrzehnten zunehmend seine Doppelbedeutung von Vor- bzw. Darstellung einerseits, juristischer oder politischer Stellvertretung andererseits. Die poststrukturalistische Deutung des Verhältnisses von Stimme, Schrift und Repräsentation führte zu einer Ontologisierung der Repräsentation, in der das Nicht-Repräsentierbare zum Wert an sich erklärt wurde und der historische Zusammenhang zwischen zwei Formen der Stimmabgabe aus dem Blick geriet: zwischen (1) dem Verstummen der Literatur (Übergang vom lauten zum leisen Lesen), und (2) dem zeitgleichen Kampf um demokratische Repräsentation. Beide Stimmabgaben werden als paradoxe Gründungsfiguren verstanden, die mit Chancen und Risken einhergehen. Theoretisch ausformuliert wird diese doppelte Verflechtung in Anlehnung an Arbeiten Jacques Rancières. Die historiografische Umsetzung konzentriert sich auf die Geschichte der Habsburgermonarchie bzw. Österreichs und exemplifiziert das Erklärungspotenzial der Figur der Stimmabgabe anhand von drei Kapiteln: Rekonstruiert werden (1) der Zusammenhang von Rhetorik, Literatur und Redebildung im habsburgischen Schulwesen 1760–1918, (2) Inszenierungen der kollektiven Stimme des antiken Chors in der Theatergeschichte Wiens 1803–1918, (3) der diskursgeschichtliche Zusammenhang von Stimme, Masse und Repräsentation in der Literatur der Ersten Republik (1918–1933/34/38).