Polyphone Sprachkompositionen : Elfriede Jelineks Hörspiele als Radiokunst

/ Christoph Kepplinger

Wien : 2007

Diplomarbeit

Betreut von: Pia Janke

Mit der vorliegenden Arbeit wird der Versuch unternommen, Elfriede Jelineks „akustische Literatur“ in einen literaturtheoretischen Kontext zu stellen, der diese Texte nicht als eine Literatur der Schrift reklamiert, sondern im Gegenteil ihre mediale Offenheit und Durchlässigkeit kenntlich macht. Eine Fokussierung erfolgt über die Begriffe der Partitur, der Realisierung, der Polyphonie und der medienspezifischen Dramaturgie. Als Grundlage für die Hörspielrealisierungen liegen polyphone Multifunktionstexte vor, die aufgrund der ihnen eingeschriebenen Qualitäten für Bearbeitungen im Rundfunk aufgegriffen wurden. Diese Texte geben keine Regeln für ihre mediale Ausformulierung vor. Von großem Interesse für den Rundfunk waren im jüngsten Zeitraum monologisch umsetzbare Texte, deren Stimmen durch technische Möglichkeiten des Mediums zum Ausdruck gebracht wurden. Im Monologhörspiel wie auch in anderen Umsetzungsformen besteht eine Herausforderung für die Regie wie für die Rezeption, denn das Subjekt der Schreibweise geht auf SprecherInnen und Regisseure, die Co-AutorInnen Elfriede Jelineks, über, denen es selbst obliegt, eine Ebene der „anderen Texte“ hörbar umzusetzen, bestimmte Stimmen semantisch neu zu verketten und eigene Verbindungslinien im Text zu ziehen. Die Zahl der Möglichkeiten wird unendlich, und dies liegt in den beiden Grundparametern Intermedialität und Intertextualität begründet. Durch diese laufen Jelineks Texte nicht mehr Gefahr, Teil eines hierarchischen, vom Autor bestimmten und fest vorgegebenen Werkgefüges zu werden. Eine auktoriale Färbung und ein Kokettieren mit dem immer wieder aufblitzenden Autorinnen-Ich in verschiedenen Textbearbeitungen sind nicht von der Hand zu weisen, sind jedoch Teil eines Öffentlichkeits-Diskurses, der im Falle Jelineks unentwegt mitläuft. Die Personifizierung der Autorin ist ein Intertext unter vielen möglichen, der in ihr Schreiben einbezogen ist, der die Ebene des Radiophonen ebenso durchläuft wie die medial weit aktuellere Ebene des Online-Bloggings. Nichtsdestotrotz spielt auch auf diesen Ebenen die für die Hörspiele sehr wichtige Schaffung einer medialen Künstlichkeit eine große Rolle. Schnitt, Montage, De- und Rekomposition, die Umschichtung von Sprachklängen und die Konstruktion eines Hörraums sind Mittel, um eine Entfremdung der realen, mit dem Körper verbundenen Sprachäußerung zu bewirken. Die Gegebenheiten und das Potenzial des akustischen Mediums Rundfunk sind bestens geeignet, um dem „Mosaik aus Zitaten“ (Kristeva), wie es in Jelineks Texten durchaus offen zu Tage tritt, eine stimmliche oder klangliche Entsprechung auf formaler und ästhetischer Ebene zu bieten und dabei kompromisslos wie die Texte selbst zu bleiben.