Odysseen

/ Elisabeth Wagner, Burkhardt Wolf (Hg.)

Berlin : Vorwerk 8, 2008

(= Mosse-Lectures ; 2007)

Burkhardt Wolf

Bis heute gilt die Odyssee als Urbild abenteuerlicher Unternehmungen. Im Rückgang auf diesen ›Ursprung aller Dichtung‹ haben ihre zahllosen Rekursionen, die unterschiedlichsten ›Odysseen‹, ein fundamentales Programm dessen ausgeprägt, was man ›abendländische Kulturgeschichte‹ nennen mag. Dass raumgreifende Politik und kulturbegründende Poesie auf medientechnische Basiscodes zurückgehen, zeigt sich schon in den Gesängen der Odyssee selbst: Zugleich Epos und Segelhandbuch, macht Homers Odyssee nicht nur die Routen antiker Seeleute ›er-fahrbar‹; im Medium des Vokalalphabets und Hexameters ermöglicht das Epos auch allererst das Abenteuer abendländischer Poesie.

Was jedoch den Griechen noch als poetische und heldenhafte ›Verschlagenheit‹ gilt, reduziert Rom zu einem literarischen Nebenaspekt seiner imperialen Expansion, ehe es die Spätantike und das christliche Mittelalter als bloße Heimtücke verwirft. Seit Dantes Commedia wird Odysseus deshalb zu einem Abenteurer ohne Wiederkehr: Einmal über die Säulen des Herakles hinausgesegelt, wird sein Abenteuer zum Betrug an der Schöpfung und zum Exempel einer gottvergessenen Weltneugierde.

Von jeher aber war Odysseus ein polytropos, ein Mann der ›vielen Örter‹. Und von jeher war im Programm der Odyssee sowohl die Heimkehr als auch die Irrfahrt angelegt – ganz so, wie es den neuzeitlichen Autoren ihre poetischen Örter, aber auch die Möglichkeit zu deren Überschreitung anwies. James Joyces Ulysses versteht sich somit abermals als ›Ricorso‹: ein Julitag des Jahres 1904 wird zum ›Chaosmos‹ abendländischen Wissens und zum ›Welt-Alltag der Epoche‹.

Stanley Kubrick schließlich treibt die Homer-Rekursionen noch über das Ende der Gutenberg-Galaxis hinaus. Was die visuellen und akustischen Bilder seiner Space Odyssey vorführen, ist eine Archäologie unserer Zukunft: einerseits das Abenteuer, Maschinen wie Menschen zu programmieren, andererseits das Unternehmen, nach dem Globus nun auch das Weltall zu kolonisieren.

ISBN: 9783940384119

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