Neue Götter, alte Patriarchen : die Griechenlandkrise als Ausgangspunkt einer Kapitalismuskritik bei Jelinek und Streeruwitz

/ Priska Seisenbacher

Wien : 2015

Diplomarbeit

Betreut von: Pia Janke

Die Griechenlandkrise als brisantes Politikum der Gegenwart wurde von beiden Autorinnen aufgegriffen, um über die konkrete Kritik an den gegenwärtigen Verhältnissen in Griechenland hinaus eine Kritik am geltenden Wirtschaftssystem zu markieren. In den ausgewählten Werken Jelineks und Streeruwitz‘ wird der neue Mut zum Unmoralischen in einer zunehmend ökonomisierten Leistungs- und Wettbewerbsgesellschaft entlarvt und entpuppt sich als Resultat des Wirtschaftssystems und seiner Glaubensgrundsätze. Die Frage nach Recht und Gerechtigkeit im Kapitalismus ist ein tragendes Element der Kritik beider Autorinnen. Angesichts des marktwirtschaftlichem Prinzips und kapitalistischer Interessen, denen sich ganze Staaten samt ihrer Einwohner/Einwohnerinnen beugen müssen, steht schließlich die Frage nach der Demokratie im Raum. Tatsächlich ist die Thematisierung einer Demokratieaushöhlung eine Gemeinsamkeit der Kapitalismuskritik beider Autorinnen. Die Kapitalismuskritik Jelineks und Streeruwitz‘ zeigt sich zudem feministisch motiviert. So zeigen die Autorinnen, dass die patriarchalische Gesellschaft ein fester Bestandteil des kapitalistischen Systems ist. Die Ökonomie bietet in der kapitalistischen Welt den Raum für eine institutionalisierte Männerherrschaft, die über einfache patriarchale Strukturen hinausgeht. In Opposition zur männlich dominierten Finanzmarktwirtschaft steht die Reproduktionsfunktion der Frau im Kapitalismus. Jelinek und Streeruwitz sind beide bekannt für ihre Kritik am Christentum oder an der katholischen Kirche. Demnach ist es auch als ein Teil der Kapitalismuskritik anzusehen, wenn zwischen dem geltenden Wirtschaftssystem und der Religion Verknüpfungen hergestellt und Ähnlichkeiten herausgearbeitet werden. Die Zurschaustellung des religiösen Charakters, den der Kapitalismus nunmehr einnimmt, dient als Mittel der Infragestellung der uneingeschränkten Machtposition und –strukturen des Wirtschaftssystems. Anzumerken bleibt, dass die Literaturästhetik beider Autorinnen unweigerlich im Zusammenhang mit der inhaltlichen Kritik steht. Während Streeruwitz ausgehend von dem Einzelschicksal der Figur Nelia schließlich über die großen Schicksale des Literaturbetriebes und Griechenlands spricht, entwirft Jelinek Sprechinstanzen, deren unverblümte Sprache Strukturen und Gedanken freilegen, die sonst im Verborgenen bleiben.