/ Verena Stross
Wien : 2010
Diplomarbeit
Betreut von: Pia Janke
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Lyrik Christine Lavants und Christine Bustas in Hinblick auf deren lebensweltliche Motive. Schwerpunkt ist das lyrische Werk der 1950er Jahre, wobei auch früher bzw. später entstandene Gedichte, Prosatexte sowie Briefe als Intertexte zu Hilfe genommen werden. Die Auswahl umfasst vier Bereiche: Natur und florale Motive, Nahrungsmittel, Hausrat und ähnliche Dinge und zu guter Letzt den menschlichen Körper. Aus dem biologischen Bereich wird das Motiv der Distel einer genaueren Analyse unterzogen – es ist kein Zufall, dass es sich bei den behandelten Texten meist um Blumengedichte jenseits der Verklärung handelt. Nutzbares Kraut und Unkraut sind zeittypische Motive; letzteres kann auch als Symbol der Subversion gelesen werden. Von den Nahrungsmotiven wird Hauptaugenmerk auf jenes des Brotes gelegt, ist es doch in unserem Kulturkreis Hauptnahrungsmittel und in mehrerlei Hinsicht symbolbehaftet. Das Brot wird untersucht als Leib Christi, als Symbol der Tischgemeinschaft, hauptsächlich ist und bleibt es allerdings schlicht eines: Essen für Hungrige. Aus den mannigfaltigen Motiven des Hausrats habe ich das Gefäß gewählt – dieses ist als schlichter Gegenstand, als poetologisches Motiv (jenes der Form, die einen Inhalt verschiedener Art fassen kann) sowie im Gender-Diskurs als Symbol für den Frauenleib lesbar. Der Körperdiskurs wird anhand des Herzmotivs, wohl dem häufigsten in der deutschsprachigen Lyrik, veranschaulicht. Viele Bedeutungen der Lyrik Bustas und vor allem Lavants sind sehr versteckt und erst nach genauerem Hinsehen und Ausdeuten erkennbar. Die methodische Vorgehensweise orientiert sich stark an den Texten. Die Biographien werden besonders dann relevant, wenn es um die konkreten Lebenswelten der Dichterinnen geht. Oft erschließen sich allerdings radikalere Lesarten von Gedichten, die ansonsten als brav gelten können, erst durch zusätzliches Wissen. Daher erfolgen auch Auseinandersetzungen mit historischer, biologischer und medizinischer Fachliteratur. Die beiden letzteren sind vor allem relevant, was Wortschöpfungen betrifft. Sozialgeschichtliche Bezüge sind in vielerlei Hinsicht von Bedeutung: Sie bieten ein zusätzliches Verständnis, wie sich die Verteilung von gesellschaftlichem Reichtum, religiöse Anschauungen und Strukturen oder die Rolle von Frauen in den Texten widerspiegelt. Auch zeitgenössische Intertexte und literaturgeschichtliche Bezüge spielen eine Rolle. Die Analyse geschieht hauptsächlich auf Wortebene, da diese bei beiden aussagekräftiger und individueller ist als formale Kriterien wie Reim und Metrum, die meist recht konventionell gehalten sind. Das Bild von Lavant und Busta, die oft als religiöse Schriftstellerinnen rezipiert werden, ist um zahlreiche Facetten erweiterbar. Das Miteinbeziehen gesellschaftlicher Problematik und die Beschäftigung mit dem Zusammenspiel von Sprache und Inhalt, bei dem es oft zu Reibungen und Brüchen kommt, sowie mit der eigenwilligen Metaphorik zeigen, dass den beiden ein Platz in der literarischen Moderne zusteht.