/ Veronika Puttinger
Wien : 2012
Diplomarbeit
Betreut von: Pia Janke
Die vorliegende Arbeit geht den katholischen Aspekten in der autobiographischen Pentalogie Thomas Bernhards nach. Forschung und Öffentlichkeit konzentrieren sich dabei meist nur auf deren ersten Band, Die Ursache. Eine Andeutung. Zweifelsohne bietet dieser das provokanteste und aussagekräftigste Material in Bezug auf die katholische Kirche und ihre Strukturen. Dennoch wird dabei nicht beachtet, dass das autobiographische Werk auch andere Facetten, eine andere Auseinandersetzung mit dem Katholizismus kennt und die autobiographischen Erzählungen damit in Summe eine ausgesprochene Vielschichtigkeit aufweisen. Ebenso weist auch Bernhards gesamtes Werk unterschiedliche Schattierungen und scharfe Kontraste auf: Die Stimmung der frühen Gedichtbände und die religiöse Haltung des lyrischen Ichs stehen in diesem Sinne vollkommen konträr zu dem Bild der katholischen Kirche, welches sich in den bekannten Werken der Spätphase offenbart und von den verschiedenen Protagonisten der Dramen und Romane in umfassenden Schimpftiraden artikuliert wird. Die Kindheits- und Jugenderinnerungen wurden in der Forschung bis dato noch nicht intensiver auf katholische Elemente und Motive hin untersucht. Dass Thomas Bernhards Autobiographie dennoch einen interessanten Forschungsgegenstand für theologisch motivierte Fragestellungen bereitstellt, soll diese Arbeit demonstrieren. Die offensive Kritik an der katholischen Kirche, an ihrer manipulativen Vorgangsweise, ihrer politischen Rolle, ihrem Streben nach Macht und der Entmündigung der Gläubigen, stellt dabei nur einen Teil der Thematisierung des Katholizismus dar. Daneben sollen die zahlreichen Berührungspunkte mit der kirchlichen Praxis herausgearbeitet werden, die Begegnung mit kirchlichem Personal, die Wahrnehmung von geistlichen Handlungen wie etwa Liturgie oder Krankensalbung. Eine Analyse der sprachlichen Ebene soll das Katholizismus-Bild der Autobiographie vervollständigen. Hier sind subtile katholische Anklänge sowohl in intertextuellen Bibelzitaten als auch im generellen Erzählduktus festzustellen. Dabei soll an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass der Textinterpretation eine literaturwissenschaftliche Methode zugrunde liegt – diese Arbeit ist nicht der Theologie, sondern der Literaturwissenschaft verpflichtet. Eine literaturtheologische Analyse soll nur dort erfolgen, wo der Text dies auch zulässt und entsprechendes Potenzial bereitstellt. Damit soll einer religiösen Vereinnahmung entgegengesteuert werden. Ziel ist es, die katholischen Elemente der autobiographischen Erzählungen sichtbar zu machen und damit das im öffentlichen Diskurs vorherrschende Katholizismus-Bild zu erweitern.