Der Rückzug ins Private in den Kurzgeschichten Judith Hermanns

/ Sara Schausberger

Wien : 2013

Diplomarbeit

Betreut von: Pia Janke

Abstract Judith Hermann veröffentlicht 1998 den Kurzgeschichtenband „Sommerhaus, später“, 2003 erscheint „Nichts als Gespenster“ und 2009 „Alice“. Hermann schreibt ausschließlich Kurzgeschichten. Dem 1998 erschienenen Debüt folgen zahlreiche Kurzgeschichtenbände junger AutorInnen nach, die thematisch und stilistisch an Hermanns Erzählungen erinnern. In ihren Texten klammert Hermann Politik, Geschichte und Gesellschaftliches weitgehend aus. Im Feuilleton und auch in der Literaturwissenschaft wird der Rückzug ins Private in Hermanns Kurzgeschichten breit diskutiert: Hermann schildere ausschließlich das von Indifferenz geprägte Innenleben einiger weniger ProtagonistInnen. Diese Arbeit untersucht auf unterschiedlichen Ebenen, ob Hermann tatsächlich nur über Persönliches schreibt und ob sich der Vorwurf, Hermann erzähle nur Privates, bestätigen lässt. Dabei wird die These verfolgt, dass die große Bedeutung des Privaten in den Kurzgeschichten Hermanns nicht ausschließlich einer von Indifferenz geprägten Zeit geschuldet ist, sondern auch der Gattung selber. Dazu wird in einem theoretischen Teil die Geschichte der deutschsprachigen Kurzgeschichte beleuchtet und auf das Private in der Gattung der deutschsprachigen Kurzgeschichte und der angloamerikanischen Short Story eingegangen. In einem weiteren Kapitel wird das literarische Umfeld Judith Hermanns besprochen und ihr Schreiben in einen literarischen Kontext gesetzt. In der Analyse der Primärtexte aus den Kurzgeschichtenbänden „Sommerhaus, später“, „Nichts als Gespenster“ und „Alice“ werden die vielen Auslassungen in Hermanns Texten untersucht. Politik, Geschichte und existenzielle Probleme finden keinen Einzug in Hermanns Kurzgeschichten. Hermann bedient sich subjektiver Erzählstrategien, dies bedingt den Rückzug ins Private in ihren Erzählungen. Daher geht die Textanalyse insbesondere auf personale Erzählperspektiven und den Ich-Bezug in den Kurzgeschichten ein. Die Ich- Bezogenheit, die sich häufig in der Verwendung einer Ich-Figur äußert, ist allgemein eine Tendenz einer in postmodernen Zeiten geschrieben Literatur. In den untersuchten Texten Hermanns korrespondiert die Konzentration auf das Ich mit dem Ich in der Gattung der Kurzgeschichte. Abschließend wird in einem letzten Analyseteil die Annahme Hermann erzähle ausschließlich Privates revidiert, weil Sprache und Erzählen bei Hermann nicht nur als künstlerische sondern auch als soziale Ausdrucksmittel vorkommen. Hermann diskutiert in mehreren ihrer Kurzgeschichten die Frage, was und ob überhaupt noch erzählt werden kann.