/ Kira Kaufmann
Wien : 2015
Diplomarbeit
Betreut von: Arno Dusini
Diese Diplomarbeit widmet sich dem „Räuber“-Roman von Robert Walser. Sie versucht zu verstehen, was das Räuberische ist und wie es zu erforschen ist, um es in seiner ganzen Dimension und Relevanz erkennen zu können. Eine zusätzliche Annahme besteht darin, dass Robert Walser ein politischer Autor ist. Seinen Texten eignet ein unhintergehbarer Zusammenhang zwischen der artikulierten Botschaft und der Poetologie, also der Art der Artikulation dieser Botschaft. Den Anlass für die Beschäftigung mit dem Räuberischen bildet der Räuber: Eine Figur in einem Text, wo es auch einen Erzähler gibt, der für sich die Rolle eines Autors beansprucht. Den Räuber, den Autor und den Text eint ihre Namenlosigkeit. Drei von fünf Teilen widmen sich diesen namenlosen Instanzen und ihren Strategien in der Realisierung der als räuberisch geltenden Qualitäten. Sie destabilisieren bestehende Ansprüche und Strukturen ästhetischer und konventioneller Natur. Die Erforschung dieser räuberischen Qualitäten führt in die Darstellung eines poetologisch bedingten konfrontativen Momentes, das im Gruß motivisch manifest wird. Nur die Analyse der Poetologie (und der ihr inhärenten Formen von Konfrontation und Provokation) lässt die politischen Implikationen des Räuberischen erkennbar werden. Umgekehrt kann die politische Disposition des Textes nicht unabhängig von seiner Poetologie erkannt werden. Diese Poetologie der Konfrontation und ihre Strategien der Anpassung und Unterwanderung verdeutlichen ein groß angelegtes Konzept andauernder Destabilisierung und nicht restloser Angleichung. Im Kern verhandelt diese poetologisch bedingte Verunsicherung das Paradox, unter der Beschwörung größtmöglicher Beweglichkeit Stellung zu beziehen; nicht nur Behauptungen, sondern wahre Urteile zu treffen, Sätze zu sprechen und Sätze zu schreiben. Die umfassende, mehrere Instanzen umfassende Figuration des Räuberischen erweist sich als komplexe Reflexion auf die mögliche Umsetzung dieser paradoxalen Forderungen in Anbetracht einer konkreten sozialen Realität und ethischen Praxis. Was in der Poetologie des „Räuber“-Romans eine Radikalisierung erfährt (Konfrontation und Rebellion, Ähnlichkeit und Als-Ob etc.), sollte auch für frühere und spätere Text von Robert Walser als gültiges, weil in Grundzügen vorhandenes und bestimmendes poetologisches Konzept zur Kenntnis genommen werden. Somit erweist sich der „Räuber“-Roman aufgrund seiner Dichte und Komplexität als Schlüsseltext für das Verständnis der Funktionsweisen und Strategien der Walserschen Poetik.