Der Bote sucht nach Lebenszeichen : Hermes Phettbergs „Tagebuch des inneren Schreckens“

/ Helmut Neundlinger

Wien : 2008

Dissertation

Betreut von: Wendelin Schmidt-Dengler

Die Predigtdienste des Hermes Phettberg sind literarisch-feuilletonistische Schwellentexte. Ursprünglich als Kolumne für die Wiener Wochenzeitung Falter konzipiert, beginnt sich Phettbergs Schreiben allmählich von den formalen Vorgaben zu lösen und zu einem monströsen Textstrom auszuufern. Diese unwillkürliche Emanzipation stellt den Ausgangspunkt meiner Untersuchung dar: Phettbergs Texte werden in gattungstheoretischer Hinsicht zunächst als Tagebuchaufzeichnungen interpretiert eine Deutung, die der Autor selbst mit der Formulierung Tagebuch des inneren Schreckens nahelegt. Die Predigtdienste werden dabei in den literaturgeschichtlichen Kontext des europäischen Tagebuchs gestellt, den Gustav René Hocke in seiner umfassenden Sudie Das Tagebuch skizziert hat. In einem weiteren Schritt bearbeitet meine Dissertation poetologische Fragestellungen: Wie lassen sich die Predigtdienste in Bezug auf ihre Schreibformen charakterisieren? An diesem Punkt bringt Phettberg selbst wiederum einen aufschlussreichen Begriff ins Spiel: Er bezeichnet sein Schreiben als Hirnstromprotokoll und stellt damit eine Verbindung zu einer zentralen Schreibtechnik der Moderne her, dem stream of consciousness bzw. Bewusstseinstrom, der kennzeichnend für den modernen (Stadt-)Roman seit James Joyce Ulysses ist. An diese grundsätzliche Kontextualisierung schließt sich eine Interpretation Phettbergscher Text- bzw, Sprachproduktion auf der Mikroebene an, die von einem freudianischen Begriffsinstrumentarium geleitet ist: Die so genannten bleibenden Tippfehler (Phettberg) eröffnen das Universum einer Psychopathologie des Alltagslebens, wie Sigmund Freud es anhand der aus der Traumdeutung gewonnenen Mechanismen der Verschiebung und Verdichtung beschreibt.