Projektleitung: Karl Wagner
Projektteam: Oliver Bruck Maximilian Kaiser Werner Michler Christiane Zintzen
Projektlaufzeit: 01. 02. 1997 - 15. 11. 2001
Fördergeber:
FWF Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (P 11857)
Das Projekt erarbeitete auf breiter Basis literatursoziologische Grundlagenforschung zur österreichischen Literatur und Kultur zwischen 1848 und 1890. Bestandteil des Projekts waren systematische Quellenrecherchen, empirische Spezialuntersuchungen, statistische Untersuchungen, Publikation kommentierter diplomatischer Editionen sowie exemplarische Interpretationen.
Das Projekt ging von dem Befund aus, daß das literarische Leben in Österreich im Zeitraum von 1848 bis 1890, von Einzeluntersuchungen abgesehen, ein weithin unerforschter Gegenstand ist. Dieser Umstand erschwert u.a. die Interpretation der weniger bekannten Autoren und Autorinnen dieses Zeitraums. Das Projekt verstand sich daher von vornherein als Beitrag zur literatursoziologischen Grundlagenforschung über eine seit 1945 vernachlässigte Epoche österreichischer Kultur. Zur Etablierung des Forschungsgegenstandes ‚Literarisches Leben in Österreich 1848-1890′ mußten – mehr als dies für andere Epochen notwendig wäre – Forschungspraktiken wie Quellenrecherche, Edition, Kommentar und Statistik angewendet werden. In methodischer Hinsicht die beste Voraussetzung zur Profilierung der Fragestellung bot die Literatur- und Kultursoziologie Pierre Bourdieus, die eine Integration von empirischer und theoretischer Forschungspraxis erlaubt. Allerdings dürfen Bourdieus Ergebnisse zum vergleichbaren Zeitraum der französischen Literatur nicht einfach auf die österreichischen Verhältnisse projiziert werden: Erst unter der Berücksichtigung der Differenz des österreichischen kulturellen Feldes sind Verzerrungseffekte durch diese Methode auszuschließen und degradiert diese nicht zum Jargon-Lieferanten. Die einzelnen Arbeitsfelder des Projekts gliederten sich in:
- Systematische Quellenrecherche mit dem Ziel, ein Handbuch zum literarischen Leben dieser Epoche herzustellen, in dem Literatur als soziales Faktum dargestellt wird, aber auch Epiphänomene der Literatur (beispielsweise Dichterfeiern, literarische Preise etc.) aus den zeitgenössischen Debatten rekonstruierbar werden.
- An diese Recherchen konnten in einigen Fällen weitere Spezialuntersuchungen angeschlossen werden (z.B. transkulturelle Beziehungen, Regionalismus, literarische Ethnographie).
- Editorische Unternehmungen wie die Edition und Kommentierung paradigmatischer Briefwechsel (Rosegger/Anzengruber; Rosegger/Heckenast).
- Systematische bibliographische Recherche (literarische Zeitschriften, Lyrikanthologien).
- Auf dieser Basis statistische Analysen zur Struktur des literarischen Feldes in Österreich zwischen 1848 und 1890.
- Exemplarische Interpretationen und monographisch-synthetische Arbeiten. In diesem Bereich ergaben sich durch international ausgeschriebene Symposien („Literatur und Nation: Deutschsprachige Literatur und Reichsgründung 1870/71“; „Literarisches Leben in Österreich 1848-1890“) und die Einladung zu einem Sammelband mit monographischen Arbeiten zu den wichtigsten Autoren und Autorinnen nationale und internationale Kooperationen.
Die Erforschung des literarischen Lebens zwischen der Revolution von 1848 und der Jahrhundertwende könnte neue Fragehorizonte für die Beschreibung der Moderne in Österreich ermöglichen, weil neue Verknüpfungslinien zu deren Vorgeschichte sichtbar geworden sind; darüber hinaus wäre auch eine zeitliche Weiterführung der empirischen Grundlagenforschung der literarischen Produktion in Österreich (nach 1890) zu wünschen.