Karl Tschuppik: Biobibliographische Grundlagensicherung

Neuere deutsche Literatur

Projektleitung: Walter Schübler

Projektlaufzeit: 01.07.2019-30.06.2022

Fördergeber:
FWF Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (P 32360)

Karl Tschuppik (1876 Hořovice/Horschowitz, Böhmen – 1937 Wien) hat drei Jahrzehnte hindurch und über drei Staatsformen hinweg österreichische Belange aus der Perspektive eines (gesellschaftspolitisch) liberalen Bürgerlichen hellsichtig und in einer Dichte glossiert und kommentiert, die einzigartig sein dürfte: unter anderem als Chefredakteur des „Prager Tagblatts“ (1910–1917) und der Wiener Tageszeitung „Die Stunde“ (1923 bis 1926), als leitender Redakteur des Berliner „Montag Morgen“ (1927–1933) sowie als gefragter Beiträger so renommierter Periodika wie der „Frankfurter Zeitung“, der „Literarischen Welt“ (Berlin), des „Tage-Buchs“ (Berlin) und des „Querschnitts“ (Berlin).

Unter den Zeitgenossen herrschte über die herausragende Bedeutung des Publizisten Einigkeit. Und seit 1982, seit Klaus Amann 62 Artikel Tschuppiks in einem Band („Karl Tschuppik: Von Franz Joseph zu Adolf Hitler“) versammelt und herausgegeben hat, ist klar, dass, wer sich mit den politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Zwischenkriegszeit beschäftigt, an Tschuppik nicht vorbeikommt. Allerdings sind seine journalistischen Arbeiten zum allergrößten Teil unzugänglich, weil sie auf etwa fünfzig, teils entlegene Zeitungen und Zeitschriften verstreut sind.

Motiviert war Amanns Teilsammlung als Wiedergutmachung an einem völlig zu Unrecht in Vergessenheit geratenen „Unbequemen“, der in der Zeit zwischen den Kriegen couragiert vor der Gefährdung der Demokratie und des Parlamentarismus, vor der Zerstörung der europäischen Zivilisation gewarnt hatte. Tschuppik verortete die Bedrohung in der im Gefolge des Ersten Weltkriegs und der wirtschaftlichen Dauerkrise erodierten gesellschaftlichen Mitte, in der „Rebellion des entwurzelten Bürgers, des enttäuschten Angestellten, des stellenlosen Gehilfen, des hoffnungslosen Studenten und Lehramtskandidaten“; eine Rebellion, die „national schrie, obwohl [sie] es sozial meinte“ (Tschuppik 1935). Allein die Rückbesinnung auf zivilisatorische Standards, die Tschuppik unter den Begriff „Europa“ fasste, allein eine solidarische „Koalition des Europäertums“ hätte dem Einhalt gebieten können, was sich Mitte der 1930er Jahre abzeichnete. Tschuppik 1936 rhetorisch fragend: „Werden wir wieder durch Ströme von Blut waten? Werden wir unter Ruinen von neuem beginnen müssen?“

Dauerthema seiner publizistischen Arbeit: die „Österreich-Idee“, und das in vehementer Abgrenzung zur ständestaatlichen Ideologie der „deutschen Kulturnation“, innerhalb derer Österreich der „zweite deutsche Staat“ war. Dauerthema auch: Anfeindungen von völkisch-nationalistischer Seite. Tschuppik firmierte 1933 gleich auf der ersten „Schwarzen Liste“ des „schädlichen und unerwünschten Schrifttums“.

Die Personalbibliographie ist Grundlage für die wissenschaftliche Aufarbeitung des Werks eines österreichischen Journalisten von europäischem Format und Basis einer umfassenden Edition, die den Kanon um einen zentralen Publizisten der österreichisch-ungarischen Monarchie, der Ersten Republik und des Ständestaats ergänzen wird.