Vorlesungs­verzeichnis

SpraWi: Die Alte, der Alte und alter weißer Mann - das wird frau*man wohl noch sagen dürfen

Pejorisierungen, Meliorisierungen und andere gegenderte Kategorisierungen in der Lexik

100242 PS 2021S

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Vortragende:

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Lange war klar, wer das Sagen hat und wer sich danach zu richten hat. Bis Ende der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts war der Ehemann unhinterfragtes Oberhaupt der Familie und damit auch seiner Ehefrau und Kinder. Diese Poleposition des Heteromannes im Privaten wie in der Öffentlichkeit war mit dem Ende der Hausfrauenehe nicht vorbei, sie besteht gesellschaftlich weiter, denn das Private und damit Kinder und Haushalt sind noch ganz real Frauensache sowie der Beruf eine Männerangelegenheit geblieben ist – mit Auswirkungen auf eine nach wie vor bestehende gender-segregierte Berufswelt, Teilzeitarbeit ist weiblich und Vollarbeitszeit ist männlich.
Soweit das gesellschaftspolitische und sozio-ökonomische Setting einer präfeministischen Wirklichkeit, die in der Versprachlichung „eine Rückversicherung“ aufweist, wenn Bezeichnungen, die in der Mehrheitsgesellschaft und damit auch in der Lexikalisierung angekommen sind, näher betrachtet werden. Es stellt sich die Frage, können wir auch tatsächlich alles sagen, wenn wir auf Mensch*innen in allen Sprachregistern und je nach Kontext referieren wollen? Ist das Sprachrepertoire so groß, dass wir informell und formell die dafür notwendigen sprachlichen Mittel zur Verfügung haben? Und werden auch nicht-heteromaskuline Mensch*innen in allen Registern differenziert benannt?
Im hetero-binären Wortschatz des Deutschen fallen die wertneutralen und meliorativen Referenzen für die Frau im privaten und öffentlichen Bereich eher bescheiden aus. So erfüllen nur „Frau“, „Typin“ und „Klassefrau“ dieses Kriterium. Alle anderen Meliorisierungen bilden sie als untergeordnete Heterofrau, Ehe- bzw. Hausfrau, und sexualisierte Asexuelle im Privaten ab, vom „Weibchen“ oder „Frauchen“ über die „Ehehälfte“ bis zur „heißen Braut“. Allgemein abwertenden wie „Tussi“ und „Zicke“ sowie den hypersexualisierten wie „Schlampe“, „Nutte“, „Hure“ oder „Flittchen“ fehlen ihre heteromännlichen Pendants ganz.
Alle anderen Geschlechter, Geschlechtsidentitäten und sexuellen Orientierungen kommen in der Lexik registermäßig nur als „Fußnoten“ vor, die hetero-maskuline binäre Strukturierung als allgemeinmenschlich ist unangetastet geblieben. Wertneutrale Personenreferenzen wie Homo- , Bi-, Trans- und Intersexuelle haben neben meliorisierenden Eigenbezeichnungen wie „Lesbe“ und „Schwuler“ Eingang ins Wörterbuch gefunden, neben sehr vielen pejorativen Fremdbezeichnungen wie „Schwuchtel“, „Tucke“, „Transe“ und „Zwitter“, um nur einige zu nennen.
Für den Heteromann hingegen stehen im Vergleich mit allen Anderen ungleich mehr wertneutrale bis meliorative Personenreferenzen wie „Mann“, „Herr“, „Kerl“, „Typ“ und „Macher“ oder auch „Macker“ sowie „Klassemann“ zur Verfügung, um das Spektrum eines ganzen Männerlebens abzubilden. Pejorisierungen wie Macho fallen bei den vielen wertneutralen Referenzmöglichkeiten nicht wirklich ins Gewicht. Mit der #Metoo-Bewegung setzte sich die frauenzentrierte Pejorisierung für Täter sexualisierter Männergewalt mit „alter weißer Mann“ durch. Erstmalig wird hetero-männliche Potenz und Macht in Zusammenhang mit biologischem Mannesalter thematisiert und begrifflich etabliert. Denn bis heute altert ein Mann, so die androzentrische Metapher, nicht wirklich, er reift, nur die Frau altert, verwelkt ziemlich schnell, er ist der „ewige Junggeselle“ „im besten Mannesalter“ und sie die „alte Jungfer“.
Aus diesem Spannungsfeld aller Bewegungen gegen die heteromaskuline Vorherrschaft in der Sprache ergeben sich folgende Ziele dieses Proseminars: Die genderkritische Analyse und Dekonstruktion des heteromännlich Menschlichen innerhalb aller Geschlechter/Sexualitäten bzw. Geschlechtsidentitäten auf konzeptioneller Ebene (Katgeorien, Hierarchien inkl. heteromaskuliner Hegemonie wie belebt : unbelebt, menschlich : tierisch, männlich : weiblich) und ganz konkret die Analyse präfeministischer Personenreferenzen unter Einbezug von Bedeutungskategorien in der Wortmotiviation, sprachlichen Registern sowie des Plurizentrismus.

 

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

- regelmäßige Anwesenheit (max. 3 Absenzen)
- Mitarbeit/aktive Beteiligung an den Diskussionen
- Referat (freier Vortrag, Power-Point-Präsentation und/oder Handout)
- Proseminar-Arbeit (Umfang: 15 Seiten Fließtext/Haupttext mit 1,5 Zeilenabstand)
- Abgabetermin: 31.08.2021

 

Literatur

Literatur wird noch bekanntgegeben!

 

Prüfungsstoff

- Feministische/Maskulinistische Theorie, Gendertheorie, Diversity und Queer Studies
- Feministische Linguistik und Genderlinguistik
- Lexikologie/-graphie, Semantik/Wortbildung
- Plurizentrismus
- linguistische Argumentation auf Basis oben genannter Theorien und Bewegungen

 

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Die PS-Note setzt sich aus regelmäßiger Anwesenheit sowie schriftlichen und mündlichen Teilleistungen zusammen, wobei ein Referat gehalten werden und die PS-Arbeit positiv sein muss.