Neuere deutsche Literatur: Eiszeit - 'Kältetexte' in der Literatur der Gegenwart
100236 KO 2015S
Vortragende:
Zeit: DI, 3.3. - 19.5.2015, 9.00-10.30
Ort: Seminarraum 8 (Sensengasse 3A, 5.OG, 1090 Wien)
SA 30.05.2015 09.45-18.15 Ort: Hörsaal 31 Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 9
Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung
Nach der Jahrtausendwende ist eine auffällige Zunahme von Texten zu beobachten, in denen 'Kälte' eine zentrale Rolle spielt. Man kann darin eine Reaktion auf die dramatischen ökologischen, politischen und sozialen Veränderungen in der Gegenwart und/oder eine Rückkehr des 'Kältekults' in der Weimarer Republik sehen, literatur- und kulturgeschichtlich betrachtet ist 'Kälte' - reale oder gefühlte - schon immer ein wichtiger Indikator im Gefühlshaushalt der Geschlechter gewesen. 'Kälte' und Wärme' gehören zu den bevorzugtesten Metaphern im literarischen Feld und Schnee und Eis als spezifische Aggregatzustände des Wassers haben vor allem auf Künstler seit jeher eine besondere Faszination ausgeübt.
Aus der fast unübersehbaren Menge an 'Kältetexten' seit der Jahrtausendwende ragt das Filmprojekt Landschaften mit Schnee und Eis (2010) von Alexander Kluge besonders hervor - nicht nur aufgrund der hohen künstlerischen Qualität, sondern auch weil hier so viele Facetten des Kältediskurses versammelt sind. Die 31 unterschiedlich kurzen und langen Sequenzen beschäftigen sich mit gescheiterten persönlichen und politischen Hoffnungen, mit der Ausbeutung der Natur durch den Menschen, mit dem Kältetod in Galizien oder Stalingrad, den Merkwürdigkeiten der Polarforschung, dem Verhältnis von Kunst und Kälte, der Ästhetik von vereisten Landschaften, der Schönheit eines schmelzenden Eiszapfens, dem Durcheinander der Flocken im Schneetreiben vor dem eigenen Fenster sowie mit einer Vielzahl von weiteren Winter-Szenen und Kälte-Erfahrungen. Beigefügt ist dem Film eine Sammlung von Geschichten, die sich zum Teil auf die Filmsequenzen beziehen, zum Teil unabhängig davon gelesen werden können.Dieses Projekt soll zusammen mit dem aus dem Nachlass von Hans Blumenberg stammenden Aufzeichnungen Quellen, Ströme, Eisberge. Über Metaphern (2012) den Einstieg in die Fragestellungen des Seminars bilden, in dem u.a. die Romane Moskauer Eis ((2000) von Annett Gröschner, Der Nebelfürst (2001) von Martin Mosebach, Unter Schnee (2001) und Kältere Schichten der Luft (2007) von Antje Ravic Strubl, Horror Vacui (2005) von Tina Uebel, Eistau (2011) von Ilija Trojanow und Der Kalte (2013) von Robert Schindel, die Gedichtbände Vom Schnee (2003) von Durs Grünbein und Klimaforschung (2008) von Nora Gomringer sowie die Theatertexte Unter Eis (2003) von Falk Richter und Winterreise (2010) von Elfriede Jelinek behandelt werden sollen. Einige Texte sind gesetzt (Grünbein, Jelinek, Schindel), die übrigen werden in Absprache mit den Teilnehmer/innen ausgewählt.Je nach Zeit und Interesse der Teilnehmer/innen können auch Ausstellungsprojekte (z.B. True North, 2008 und Arctic, 2013), Videoarbeiten und Kunstprojekte (z.B. Isaak Julien: True North, 2004, Simon Faithfull: Ice Blink, 2006, Lutz Fritsch: Die Bibliothek im Eis, 2007, Alexander Kluge und Gerhard Richter: Dezember, 2010 und Gerhard Richter: Eis, 2011) sowie die ambitionierte graphic novel Packeis (2012) von Simon Schwartz in das Seminar einbezogen werden.
Abkürzungen: ÄdL: Ältere deutsche Sprache und Literatur – DaF/Z: Deutsch als Fremd- und Zweitsprache – FD: Fachdidaktik Deutsch – NdL: Neuere deutsche Literatur – SpraWi: Sprachwissenschaft