NdL: Vertigo. Die Ästhetik des Schwindels in Literatur und Film
100134 KO 2022S
Vortragende:
Die Einzeltermine finden (Stand Semesterbeginn) allesamt nur in Präsenz statt
Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung
Seit der Moderne gehört der Schwindel zum etablierten Motiv- und Formenrepertoire der Literatur, der bildenden und medialen Künste. Die gesamte Bedeutung und Wirkmächtigkeit dieses Wahrnehmungs- und Erfahrungsphänomens erschließt sich jedoch erst, sobald man sich die Wissensgeschichte seiner neuzeitlichen Deutung und Erforschung vor Augen führt. Bereits um 1800 war es zum Gegenstand einer umfassenden anthropologischen, medizinischen oder auch existentiellen Befragung geworden. Denn nicht nur, dass man mit dem Schwindel eine physiologisch oder neurologisch beschreibbare Irritation des Gleichgewichts verbunden hat; mit ihm schien auch das In-der-Welt-Sein generell betroffen, das Selbstverhältnis und damit die Ordnung der Realität. Und genau an diesem Punkt kommt der Doppelsinn des (deutschen) Worts zu sich, schlägt (wie später in Alfred Hitchcocks berühmtem Klassiker von 1958) der erlebte „Vertigo“ leicht in eine fundamentale Täuschung über das Ich, über seine Geschichte, seine Umwelt oder allgemein das Dasein um.
Das Konversatorium soll die Wissensgeschichte des Schwindels ebenso aufzurollen versuchen, wie dessen ästhetische Resonanzen und Konsequenzen in der Literatur und in diversen Medien und Künsten erkunden. Hierzu wird es zunächst von der fundamentalen Frage der Orientierung und deren Irritation (bei Kant und Marcus Herz) ausgehen, um dann die philosophische Ausdeutung dieses Phänomens (etwa bei Schelling), seine Exploration im Selbstexperiment (etwa durch Purkinje) und seine versuchsweise Erzeugung, seine systematische Beobachtung und therapeutische Anwendung mittels diverser medialen Apparaturen (wie Dreh- und Flugmaschinen) zu rekonstruieren. Schwindel-Szenarien in der deutschen Romantik, bei Poe oder Stifter und noch bei Musil und Emmy Hennings sollen ebenso Thema sein wie der programmatische und kalkulierte Vertigo in der modernen Kunsttheorie (etwa bei Roger Caillois), in der jüngeren Kunstpraxis (etwa in der Op Art oder Installation art), in der Videokunst und natürlich auch in der Filmgeschichte – vor und nach Hitchcock.
Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel
Erwartet wird – neben der aktiven und regelmäßigen Teilnahme – die Mitwirkung in einer Expertengruppe, die den Stoff einer Sitzung aufbereitet, präsentiert und dokumentiert; mindestens eine Respondenz zur Präsentation einer anderen Expertengruppe.
Schriftliche Beiträge aller Lehrveranstaltungstypen der SPL 10 können einer automatischen Plagiatsprüfung unterzogen werden; dazu zählen insbesondere Arbeiten der Pro-, Bachelor- und Masterseminarstufe, aber auch Lehrveranstaltungsprüfungen (z.B. Vorlesungsprüfung) und Teilprüfungen (z.B. Zwischentest, 'Hausübungen').
Literatur
Rebekka Ladewig, Schwindel. Eine Epistemologie der Orientierung, Tübingen 2016.
Nach Möglichkeit werden die Texte über Moodle bereitgestellt.
Prüfungsstoff
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung
Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab
Die Leistungsfeststellung erfolgt über mehrere, auch während des Semesters zu erbringende Leistungen. Am Ende des Semesters steht eine mündliche Prüfung über die erarbeiteten Inhalte und die Semesterlektüre. Prüfungsimmanente Lehrveranstaltungen aus dem Angebot der SPL10 sind grundsätzlich anwesenheitspflichtig.
Abkürzungen: ÄdL: Ältere deutsche Sprache und Literatur – DaF/Z: Deutsch als Fremd- und Zweitsprache – FD: Fachdidaktik Deutsch – NdL: Neuere deutsche Literatur – SpraWi: Sprachwissenschaft