Proseminar Neuere deutsche Literatur
Das Hören in der erzählenden Literatur: Von den Darstellungen des Großstadtlärms bis zur Rezeption von akustischen Phänomenen bei der stillen Lektüre
100111 PS 2024W
Vortragende:
Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung
Im Zentrum des Proseminars steht nicht nur die Frage, wie in unterschiedlichsten Erzähltexten akustische Phänomen dargestellt beziehungsweise welche Bedeutung der Beschreibung auditiver Erlebnisse zukommt, sondern vielmehr soll erarbeitet werden, wie sich Literatur der Schrift als bevorzugte „tonale Technik zur Erzeugung auraler Phänomene" (Herrmann 2015, 21) bedient. Den zentralen Referenzrahmen für die konkrete Untersuchung der Bedeutung des Hörens in literarischen Texten bilden zuallererst drei exemplarische Großstadterzählungen: Als eine der frühesten Beschreibungen der städtischen Reizüberflutung Rainer Maria Rilkes Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge (1910), der womöglich modellhafteste Großstadtroman der deutschsprachigen Literatur Berlin Alexanderplatz (1929) von Alfred Döblin sowie die dazu im Kontrast stehende Darstellung von Klängen der Stadt als Konstruktion einer kindlichen Wahrnehmung in Walter Benjamins Berliner Kindheit um neunzehnhundert (posthum 1950). Abgesehen von der Lektüre dieser drei Erzähltexte (zum Teil in Ausschnitten) widmet sich diese Lehrveranstaltung der Entwicklung eines Analyseinstrumentariums für die Untersuchung von auditiven Phänomenen in jeglichen literarischen Texten auf der Basis der diesbezüglichen theoretischen Literatur (vgl. Mellmann 2015, Meyer-Kalkus 2006, Lösener 2015 etc.). Damit wird nicht nur gemeinsam ein methodischer Zugang für Proseminar-Arbeiten entworfen, sondern werden ganz grundlegend Kompetenzen hinsichtlich verschiedener Aspekte einer „Ohrenphilologie“ (Herrmann 2015) bis hin zur Beschreibung des rezeptionsästhetischen Phänomens der Subvokalisierung bei der stillen Lektüre erworben.
Die Lehrveranstaltung versteht sich als Ort der Diskussion und des Austausches. Eigenständige Forschungsfragen werden ebenso entwickelt wie methodische Strategien und Basistechniken (Fragestellung, Literatur-Recherche, Zitierweise, Bibliographie, Aufbau etc.) für das Verfassen einer wissenschaftlichen PS-Arbeit erarbeitet.
Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel
Schriftliche Beiträge aller Lehrveranstaltungstypen der SPL 10 können einer automatischen Plagiatsprüfung unterzogen werden; dazu zählen insbesondere Arbeiten der Pro-, Bachelor- und Masterseminarstufe, aber auch Lehrveranstaltungsprüfungen (z.B. Vorlesungsprüfung) und Teilprüfungen (z.B. Zwischentest, 'Hausübungen').
Regelmäßige AnwesenheitAktive Mitarbeit in den Sitzungen
Vorbereitende Lektüre der Pflichtliteratur
Präsentation eines eigenen Forschungsvorhabens
Exposé inkl. Literaturliste
Schriftliche Abschlussarbeit (Umfang: 15 Seiten Haupttext)
Literatur
Vorläufige & unvollständige Leseliste:
THEORIE: Einführung & Bezugsrahmen• Herrmann, Britta (2015): Auralität und Tonalität in der Moderne. Aspekte einer Ohrenphilologie. In: dies. (Hg.): Dichtung für die Ohren. Literatur als tonale Kunst in der Moderne. Berlin, 7-31.
• Meyer-Kalkus, Reinhard (2006): Vorlesbarkeit – zur Lautstilistik narrativer Texte. In: Andreas Blödorn/Daniela Langer/Michael Scheffel (Hg.), Stimme(n) im Text: Narratologische Positionsbestimmungen, Berlin/New York, 349-382.
• Mellmann, Katja (2015): Das innere Ohr. Zum Phänomen der Subvokalisierung in stiller Lektüre. In: Britta Herrmann (Hg.), Dichtung für die Ohren. Literatur als tonale Kunst, Berlin 2015, 35-48.
• Schock, Ralph (2014): Rumm rumm haut die Dampframme. Großstadtlärm im Spiegel der Literatur. In: Gerhard Paul, Ralph Schock (Hg.): Sound der Zeit. Geräusche, Töne, Stimmen 1889 bis heute. Göttingen, S. 135–140.PRIMÄRLITERATUR: Auditive Phänomene in der Großstadtliteratur
• Rilke, Rainer Maria: Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge. Kommentierte Ausgabe. Hrsg. und komm. von Manfred Engel. Stuttgart: Reclam 1997.
• Döblin, Alfred: Berlin Alexanderplatz. Die Geschichte von Franz Biberkopf. Gesammelte Werke, Bd. 10, hg. v. Christina Althen. Frankfurt am Main: Fischer (8. Auflage) 2020.
• Benjamin, Walter: Berliner Kindheit um neunzehnhundert. Berlin: Suhrkamp (8. Auflage) 2010.ANWENDUNG: Das Hören/akustische Phänomene in der Literatur und beim Lesen
• Lösener, Hans (2015): Was hören wir beim Lesen? Zu einer Aporie kognitionspsychologischer Lesemodelle. In: Britta Herrmann (Hg.), Dichtung für die Ohren. Literatur als tonale Kunst, Berlin 2015, 35-48.
• Bernhart, Toni (2008): Stadt hören. Auditive Wahrnehmung in „Berlin Alexanderplatz“ von Alfred Döblin. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik (LiLi) 149, S. 51–67.
Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltungen aus dem Angebot der SPL10 sind grundsätzlich anwesenheitspflichtig. Maximal zweimaliges Fehlen ist erlaubt. Eine konsequenzlose Abmeldung ist bei wöchentlichen Lehrveranstaltungen bis vor der dritten LV-Einheit möglich, bei 14-tägigen Lehrveranstaltungen und Blöcken bis vor dem zweiten Termin.
Umfang der Abschlussarbeiten: Proseminararbeiten 15 Seiten HaupttextDas Hauptgewicht der Beurteilung liegt auf der schriftlichen Proseminararbeit.Erwartet wird die aktive Beteiligung an den Diskussionen im Proseminar sowie die vollständige (!) Lektüre für die jeweilige Einheit. Ergänzt wird die vorbereitenden Lektürearbeit und die Bereitschaft zur Diskussion um die Präsentation eines eigenen Forschungsinteresses, die Abgabe eines Exposés sowie einer Proseminar-Arbeit im Umfang von 15 Seiten Haupttext.
Abkürzungen: ÄdL: Ältere deutsche Sprache und Literatur – DaF/Z: Deutsch als Fremd- und Zweitsprache – FD: Fachdidaktik Deutsch – NdL: Neuere deutsche Literatur – SpraWi: Sprachwissenschaft