NdL: Der historische Roman in der deutschsprachigen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts
100111 VO 2023S
Vortragende:
Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung
Die Vorlesung trägt zum Verständnis der wichtigen Rolle der Literatur für die Geschichte bei, wobei GESCHICHTE als das kollektive kulturelle Gedächtnis einer Gesellschaft definiert ist. In vier einführenden Vorträgen erfolgt zuerst die Abgrenzung der Gattung des historischen Romans von verwandten Formen; dann werden die Möglichkeiten erörtert, wie der ROMAN Geschichte vermittelt, nämlich als NACHAHMUNG, als RECHTFERTIGUNG und als KRITIK. Auf diese Axiome wird in den Besprechungen konkreter historischer Romane in der deutschsprachigen Literatur des 19. und des 20. Jahrhunderts stets Bezug genommen, welche in den folgenden zehn Vorträgen auf dem Programm steht. Verbindungen und Vergleiche zu nicht-deutschsprachiger Literatur werden ebenso hergestellt wie zu anderen künstlerischen Vermittlungsformen des kollektiven kulturellen Gedächtnisses in älteren oder entfernteren Kulturen. Ein wesentliches übergeordnetes Lernziel der Vorlesung besteht darin, künftigen Lehrenden und Kulturvermittler:innen ein kritisches Werkzeug dafür in die Hand zu geben, um Geschichtsmythen, Große Erzählungen und historische Verschwörungstheorien zu enttarnen. Ein solcher kritischer Blick kann dazu beitragen, sowohl die eigene kulturelle Identität in ihrer Konstruiertheit besser zu verstehen als auch Barrieren für den Blick auf das Andere zu überwinden.
Es werden zwanzig historische Romane einlässlich besprochen, kommentiert und analysiert, in jeder der geplanten zehn Vorlesungen stehen jeweils zwei Werke im Fokus. Die Vorträge sind nach Epochen gegliedert, folgende repräsentative Beispiele werden vorgestellt:
Romantik: Wilhelm Hauff: Lichtenstein (1826), Adalbert Stifter: Witiko (1867); Willibald Alexis: Die Hosen des Herrn von Bredow (1846), Joseph Victor Scheffel: Ekkehard (1855).
Realismus: Gustav Freytag: Die Ahnen (1872-1880), Felix Dahn: Ein Kampf um Rom (1876); Conrad Ferdinand Meyer: Jürg Jenatsch (1874), Theodor Fontane: Vor dem Sturm (1878).
Vor dem Zweiten Weltkrieg: Alfred Döblin: Wallenstein (1920), Lion Feuchtwanger: Jud Süß (1925); Stefan Zweig: Marie Antoinette (1932), Heinrich Mann: Henri Quatre (1935/1938); Mirko Jelusich: Hannibal (1934); Erika Mitterer: Der Fürst der Welt (1940); Hermann Kesten: Ferdinand und Isabella (1936), Thomas Mann: Lotte in Weimar (1939).
Nach dem Zweiten Weltkrieg: Bert Brecht: Geschäfte des Herrn Julius Caesar (1957), Elisabeth Plessen: Kohlhaas (1979); Christoph Ransmayr: Die letzte Welt (1988), Adolf Muschg: Der rote Ritter (1993).
Die Vermittlung der Inhalte erfolgt durch Vortrag, unterstützt durch Präsentationsfolien, welche auf der Lernplattform Moodle zur Verfügung gestellt werden. Fragen aus dem Publikum sind erwünscht! Ein Skriptum zur Vorlesung mit kommentierten Auszügen aus den Primärtexten wird Anfang Juni 2023 vom Facultas-Verlag aufgelegt.
Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel
Die schriftliche Klausurprüfung dauert 90 Minuten. Verlangt wird die Beantwortung von sieben zugelosten Prüfungsfragen aus einem vorher bekannt gegebenen Katalog von fünfzig Fragen. Die Prüfung findet als Präsenz-Prüfung im Hörsaal mit Hilfe des Test-Tools der Lernplattform Moodle statt.
Schriftliche Beiträge aller Lehrveranstaltungstypen der SPL 10 können einer automatischen Plagiatsprüfung unterzogen werden; dazu zählen insbesondere Arbeiten der Pro-, Bachelor- und Masterseminarstufe, aber auch Lehrveranstaltungsprüfungen (z.B. Vorlesungsprüfung) und Teilprüfungen (z.B. Zwischentest, 'Hausübungen').
Literatur
Für die Vorbereitung der Vorlesung waren folgende Grundlagentexte dienlich [kein Prüfungsstoff]:
Friedrich Schiller: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? (1789)
Friedrich Nietzsche: Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben (1874)
Georg Lukács: Der historische Roman (1955)
Paul Ricœur: Zeit und Erzählung. Band III. Die erzählte Zeit. (1991)
Maurice Halbwachs: Das kollektive Gedächtnis (1991)
Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis (1992)
Hugo Aust: Der historische Roman (1994)
Aleida Assmann: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses (1999)
Reinhard Koselleck: Zeitschichten. Studien zur Historik (2003)
Barbara Potthast: Die Ganzheit der Geschichte. Historische Romane im 19. Jahrhundert (2007)
Martin Neubauer: Frühere Verhältnisse. Geschichte und Geschichtsbewusstsein im Roman der Jahrtausendwende (2007)
Hans Vilmar Geppert: Der historische Roman. Geschichte umerzählt. Von Walter Scott bis zur Gegenwart (2009)
Slavoj Žižek: Was ist ein Ereignis? (2014)
Aleida Assmann: Zeit und Tradition. Kulturelle Strategien der Dauer (2022)
Prüfungsstoff
Inhalt der Vorträge
Skriptum zur Vorlesung (Facultas)
Kenntnis der zwanzig besprochenen Romane
Eigene Überlegungen an Hand des Katalogs der Prüfungsfragen
Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab
Für die vollständige und korrekte Beantwortung jeder Frage werden maximal sieben Punkte vergeben. Insgesamt können also 49 Punkte erreicht werden. Die Notenvergabe erfolgt nach folgendem Schlüssel: 49-44 = sehr gut, 43-38 = gut, 37-31 = befriedigend, 30-25 = genügend, weniger als 25 Punkte = nicht genügend.
Abkürzungen: ÄdL: Ältere deutsche Sprache und Literatur – DaF/Z: Deutsch als Fremd- und Zweitsprache – FD: Fachdidaktik Deutsch – NdL: Neuere deutsche Literatur – SpraWi: Sprachwissenschaft