Vorlesungs­verzeichnis

NdL: Wiener Pulp

100102 PS 2021W

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Vortragende:

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Nach den beschränkten häuslichen und familiären Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit, bei gleichzeitiger medialer Zeugenschaft von wildesten Fällen der Korruption und Schattenwirtschaft auf höchsten Ebenen, scheint es uns angebracht, auf die Suche nach jenen „Alltagsgeschichten“ der Stadt zu gehen, in denen ohne Rücksicht auf Rang und Namen die unerwartetsten Begegnungen und wildesten Abenteuer geschehen. Soweit es das Kursformat – die Einführung in die literaturwissenschaftliche Diskurs- und Gattungsdisziplin – erlaubt, soll die Suche nach jenen karnevalesken, grotesken, fraglos auch gewaltvollen und obszönen, doch gerade in ihrer Ungebundenheit und Disziplinlosigkeit mysteriösen Erzählbewegungen erfolgen, die sich nur an interaktiven, grenzüberschreitenden Erfahrungen des Alltags entwickeln können. Möglichst ohne Umwege also – allerdings an den gröbsten misogynen Ausformungen des „Minus-Mannes“ vorbei – wollen wir zum Genuinen des Erzählens gelangen, zum Plot, zur Konfrontation mit dem ungebundenen Anderen, zu jenen Stoffen, nach denen wir im Unbewussten (der Stadt) immer wieder auf der Suche sind. Wenn allerorten der Homo oeconomicus als Leitideal einer erfüllten Lebensführung vor Augen gehalten wird: so soll gerade der gegenläufigen Spur der Straße der Verwünschungen (Jacques Yonnet) gefolgt werden.
So wie der Protagonist in Umberto Ecos "Die geheimnisvolle Flamme der Königin Loana" seine verlorene Erinnerung an den unterschiedlichsten Formaten der Populär- und Trivialliteratur wiederzuerlangen versucht, so wie der Roman selbst die Wirkung einfachster Bilder und Texte auf die Formung kindlicher, jugendlicher und junggebliebener Erwartungshaltungen ins Zentrum stellt und dadurch die italienische Geschichte des 20. Jahrhunderts aus einem ganz anderen Erfahrungsblickwinkel heraus rekonstruiert, wollen wir eine vergleichbare ethnografische Perspektive über die „kommunikative Literatur“ Wiens inklusive seines erweiterten Umkreises anstreben – unter Berücksichtigung freilich, dass die Stadt „anders“ ist. Unter dem Label „Wiener Pulp“ werden die Themen versammelt: Schmutz und Schund, Das sündige Wien, Wiener Strizzis, Wiener Lieder, Anarcho-parodistische Musikkonzepte, Krimi- und Slasher-Filme, Heftreihen und Comics sowie aktuelle Kurz-Trash-Prosa.

 

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

aktive Mitarbeit; vorbereitende Lektüre; Übernahme einer ExpertInnenrolle im Tandem; kleinere Recherche- und Schreibaufgaben; darauf aufbauend Verfassen einer Proseminararbeit (ca. 15 Seiten)

 

Literatur

Hinführende Sekundärliteratur:

Brunold-Bigler, Ursula/Bausinger, Herrmann (Hg.): Hören Sagen Lesen Lernen. Bausteine zu einer Geschichte der kommunikativen Kultur. Festschrift für Roland Schenda zum 65. Geburtstag. Bern u.a.: Peter Lang 1995.
Huck, Christian: Was ist Populärliteratur? Oder doch eher, wann ist Populärliteratur? In: Roger Lüdeke (Hg.): Kommunikation im Populären. Interdisziplinäre Perspektiven auf ein ganzheitliches Phänomen. Bielefeld: transcript 2011, 43–66.
Maase, Kaspar: Das Recht der Gewöhnlichkeit. Über Populärkultur. Tübingen: Tübinger Vereinigung für Volkskunde 2011 (Untersuchungen des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen 111).
Maase, Kaspar: Die Kinder der Massenkultur. Kontroversen um Schmutz und Schund seit dem Kaiserreich, Frankfurt a.M.: Campus 2012. 
Schenda, Rudolf: Volk ohne Buch. Studien zur Sozialgeschichte der populären Lesestoffe 1770–1910. Frankfurt a.M.: Klostermann 1970 (Studien zur Philosophie und Literatur des 19. Jahrhunderts 5).
Schenda, Rudolf: Die Lesestoffe der Kleinen Leute. Studien zur populären Literatur im 19. und 20. Jahrhundert. München: 1976.
Tomkowiak, Ingrid/Frizzoni, Brigitte/Trummer, Manuel (Hg.): Action! Artefakt, Ereignis, Erlebnis. Würzburg: Königshausen und Neumann 2017.

 

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Prüfungsimmanente Lehrveranstaltungen aus dem Angebot der SPL10 sind grundsätzlich anwesenheitspflichtig.
Den Studierenden soll es gelingen, Werke der österreichischen Literatur methodisch korrekt zu kontextualisieren und ihre Arbeit den wissenschaftlichen Standards entsprechend zu präsentieren.